Eine Reise in innere Bilderwelten
Alle Erfahrungen unseres Lebens sind in unseren Zellen gespeichert – in Bildern! Bilder sind Brücken zu einer bestehenden oder einer gemachten Erfahrung, die so in unserem Unterbewusstsein verankert werden kann. Alles was wir aufnehmen – auch schon im Mutterleib – wird zu einem Bild in uns. Es ist uns selten bewusst, welche Bilder oder Symbole wir mit welchen Erkenntnissen verknüpft haben, sie nehmen jedoch beständig Einfluss darauf, wie wir uns in unserem Leben fühlen und verhalten.
Unser gesamtes bisheriges Leben existiert als eine Sammlung von Bildern, Zeichen und Symbolen auf einer tiefen, unbewussten Ebene unseres Seins.
In der Auseinandersetzung damit, konnten wir herausfinden, dass viele unserer inneren Bilder eigentlich übernommen sind bzw. kulturübergreifend bei allen Menschen gleichsam vorhanden sind. Der Schweizer Psychiater und Begründer der Psychoanalyse, Carl Gustav Jung, hat diesen Urbildern und ihren Wirkkräften einen großen Teil seiner Forschungsarbeit gewidmet. So entdeckte er in den Träumen seiner Patienten Motive aus der Alchemie, die seiner Meinung nach aus sich selbst heraus entstehen. Er beobachtete «… typische Formen, die spontan und mehr oder weniger universal, unabhängig von Tradition, in Mythen, Märchen, Phantasien, Träumen, Visionen und Wahngebilden auftreten». Diese seien nicht vererbte Vorstellungen, aber «vererbte instinktive Antriebe und Formen.» Sein Begriff dafür war "Archetypen".
Ein Archetypus, gr. Arche = Ursprung, bezeichnet eine „Urform“ oder auch ein „Urprägung“ menschlicher Vorstellungs- und Handlungsmuster, die im so genannten „kollektiven Unterbewusstsein“, also im Unterbewusstsein aller Menschen, verankert sind. Damit sind kultur- und religionsübergreifende, zentrale Erfahrungen der Menschheit gemeint, wie zum Beispiel die Archetypen der Mutter und des Vaters. Wer sich auf die Spur dieser Urstrukturen, die unser Verhalten und unser Bewusstsein beeinflussen, begeben möchte, der wird fündig in den Mythologien und spirituellen Weltbildern aller Kulturen. Schon in den eiszeitlichen Jäger-Sammler-Kulturen vermutet man das Entstehen von animistischen Religionen. Animistisch bedeutet, der Glaube an die „Allbeseeltheit“ der Natur in ihren vielfältigen Ausdrucksformen.
Der Schluss liegt nahe, dass insbesondere die Phänomene Beachtung fanden, die einen existenziellen Einfluss auf die damals lebenden Menschen hatten. Da sind an erster Stelle sicher die Elemente Feuer, Wasser, Erde und Luft, die Ausdrucksformen des Wetters, die für das Überleben wichtigen Pflanzen und Tiere, sowie die Auseinandersetzung mit den Mysterien von Geburt und Tod zu nennen.
Wir machten uns also auf die Suche nach unserer eignen, individuellen Symbolsprache. Nicht überlieferte Formen wie Kreise, Spiralen, Dreiecke und Kreuze waren gesucht, sondern die persönlichen Spuren und Zeichen unseres Lebens und unserer Erfahrungen. Hierzu ist besonders interessant zu lesen, ein Artikel von Künstler und Dozent Volker Altrichter: "Der Blick nach Innen".
Tief in uns wurden wir fündig: Die Erinnerung an den warmen Sommerregen unserer Kindheit, die Faszination für eine bestimmte Blume, ein stummer Gruß an einen Baum am Wegesrand, der kleine Vogel, der jeden Morgen vor unserem Fenster den Tag willkommen heißt, die Angst vor Spinnen, die Furcht vor dem tiefen dunklen Wasser, das Herzklopfen wenn ein Gewitter aufzieht…..wir sind Teil unserer Umwelt und sie ist in uns. Sie durchdringt unser Bewusstsein und unser Unterbewusstsein – nur sind wir meist viel zu beschäftigt damit dies zu bemerken.
In Kontakt kommen wir damit, wenn unsere Ratio nicht involviert ist – zum Beispiel durch die künstlerische Auseinandersetzung mit dieser inneren Formenwelt. Wenn die Farbe fließt….wenn die Feder über das Papier tanzt…wenn wir selbstvergessen einfach nur sind…. Dann bringen wir die Erfahrungs-Geschenke unseres Lebens kraftvoll mit Farbe und Papier zum Ausdruck und feiern sie so auf eine ganz besondere Weise.
Das Ergebnis verändert unseren Blickwinkel, lässt Unsichtbares sichtbar werden. Birgt so manche Überraschung. Eine Reise in die Tiefen unserer unbewussten Bilderwelten ermöglicht es uns, aus einer neuen Perspektive die darin enthaltenen Wahrheiten zu erforschen.
LebensZeich(n)en als Kreativtherapie
Nun sollen also unsere inneren Bilder ihren Weg auf das Papier finden - mit selbstgekochten Farben, Tinten und Tuschen aus der Schatzkammer der Natur. Als Malwerkzeuge dienen selbstgeschnittene Bambusfedern, aus Gräsern zusammengebundene Pinsel oder auch nur angespitzte Stöcke, die Fundstücke vom letzten Waldspaziergang.
So wird der heimische Herd kurzerhand zur Hexenküche, die nicht nur das Auge sondern auch die Nase erfreut. Zuerst verbreitet das rote Sandelholz seinen warmen, exotischen Duft bevor es dann die vorbereiteten Papiere in einem zarten Rosaton färbt. Ein sinnliches Erleben auf allen Ebenen! Der Tage zuvor gesammelte wilde Oregano von den Wegesrändern der Rheinhöhen, überrascht nach Zugabe von etwas Alaun mit einem leuchtenden Grünton. Die anderen traditionellen Färberpflanzen wie Krapp, Blauholz und Färberwau beschenken uns mit einer wohltuend erdigen Farbpalette.
Der Weg vom Bereiten des Untergrundes, über das Herstellen des Ausdrucksmittels bis hin zur Manifestation von inneren Bildern in der individuellen Formensprache wird zum meditativen und mystischen Prozess - in Verbindung mit den Kräften der Natur und den ganz persönlichen kreativen Möglichkeiten der Künstlerinnen.
So ein Tag auf den Spuren unseres Lebens, bedeutet nicht nur sinnliches Erleben für Auge und Nase, sondern auch viele neue Ein- und Aussichten, Perspektiven und Blickwinkel, erstaunliche und überraschende Ergebnisse im künstlerischen als auch im persönlichen Ausdruck.
Die Bilder zeige ich in diesem Beitrag mit freundlicher Genehmigung der Künstlerinnen - ihnen sind alle Rechte vorbehalten und die Verwendung und Verbreitung dieser Fotos durch Dritte ist nicht erlaubt.